Hilfe! Bin ich zu nett als Führungskraft?

Wie gehst du mit dem Thema Strenge und Milde als Führungskraft um? Stellst du dir auch manchmal die Frage, ob du zu nett als Führungskraft bist? Klare Ansagen zu machen und auch mal streng zu sein, fällt vielen Führungskräften nicht leicht. Wann bist du zu vorsichtig, wann zu hart? Und wie bekommst du es hin, deine Mitarbeitenden an ihre Ziele zu führen und nicht an dir zu zweifeln?

Lesedauer: ca. 9 Minuten

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Ausschlaggebend für diesen Beitrag ist eine E-Mail, die ich von Steffi bekommen habe und die hat mir geschrieben:

„Hallo Stefan, ich habe seit kurzem deinen Newsletter abonniert und bin sehr zufrieden. Vielen Dank dafür!“

Freut mich Steffi!

„Mir gefällt es vor allem, dass du auch die Haltung thematisierst. Zur aktuellen Ausgabe hätte ich eine Anregung. Bei mir ist es genau andersherum. Ich gebe Feedback wahrscheinlich zu vorsichtig. Meist habe ich Verständnis für die andere Seite, was mir dabei im Wege steht. Ich würde gerne härter werden und nicht so sehr die Meinung der Mitarbeiter vorausschauend achten. Das klingt vielleicht merkwürdig, aber ich glaube, es geht einigen Führungskräften so. Vielleicht kannst du dazu einen Podcast oder Newsletter machen.“

Hier werden Wünsche sofort erfüllt und deswegen hier nun der Beitrag 😉

Ich glaube tatsächlich auch, dass das ein Thema von vielen Führungskräften ist. Viele Führungskräfte stellen sich die Frage: Bin ich zu nett als Führungskraft?

Als allererstes möchte ich dazu sagen, dass es natürlich eine sehr positive Eigenschaft ist, sich in die andere Seite, seine Mitarbeitenden, hineinversetzen zu können. Und sich Gedanken darüber zu machen, wie das eigene Verhalten und die eigenen Aussagen als Führungskraft wahrgenommen werden.

Das spricht für Empathie – damit bist du nicht „zu nett“ als Führungskraft. Für mich ist das die Grundvoraussetzung für eine Führungskraft – soziale Kompetenz, Empathie, sich in andere hineinversetzen zu können.

Jede Stärke führt in der Übertreibung zur Schwäche

So ist es auch mit dem Thema Empathie, aus meiner Sicht. Wenn du gar nicht anders kannst, als empathisch zu sein und immer mitfühlend und dich in die andere Seite hineinversetzend, dann hast du ein Problem, weil du dann nicht in der Lage sein wirst, auch mal eine notwendige Grenze zu ziehen.

Wenn das Vorgesetzten oder Kollegen auffällt, dann kann es schon mal vorkommen, dass gesagt wird, du seist zu nett als Führungskraft, oder zu weich, zu milde wie auch immer.

In der Hauptsache beginnt dies erstmal bei der Selbstdefinition: Wann bin ich eine gute Führungskraft?

Woran würdest du das messen? Wenn alle dich mögen, wenn alle dich gerne haben, wenn alle sagen: “Mensch, du bist aber eine tolle Führungskraft!”?

Oder, wenn du Ziele erreichst mit deinem Team, weil du da bist und auch mal eine Grenze setzt.

Meist beginnt es mit Glaubenssätzen, die wir im Kopf haben. Wenn alle mich mögen und immer super Harmonie herrscht und keiner sich beschwert, dann habe ich einen guten Job gemacht…

Natürlich möchtest du als Führungskraft vorbildlich sein – dazu zählt es auch empathisch und nett auf deine Mitarbeitenden eingehen zu können. „Zu nett“ geht eigentlich nicht wirklich, gemeint ist meist „zu schwach“, „zu weich“, „zu milde“.

Und das hat natürlich mit Selbstbewusstsein und -definition zu tun.

Ich glaube, bei solch einer Denkweise wirst du früher oder später ein Problem bekommen. Weil du dann eben nicht in der Lage bist, auch mal die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und notwendige Ansagen zu machen. Das ist also eine Definitionssache im ersten Schritt.

Coachings helfen

Wenn du bei dir die Tendenz beobachtest, es allen recht machen zu wollen, dann finde ich es wichtig, dass du dich damit auseinandersetzt und dir klar machst, dass das ja eigentlich gar nicht geht. Du wirst es selbstverständlich niemals allen recht machen können. Ein gewisser Teil der Menschen, mit denen du dich triffst und zusammenarbeitest, mag dich eventuell nicht und ist womöglich nicht einverstanden mit den Entscheidungen, die du triffst oder damit, was du machst. Und wenn du danach strebst, es allen recht zu machen, dann erschöpfst du dich vergeblich.

Das ist dir wahrscheinlich selbst klar. Die Frage, „Bin ich zu nett als Führungskraft?“ ist eher etwas Emotionales. Solltest du diese Tendenz haben, empfehle ich, dich im Rahmen eines Coachings damit auseinanderzusetzen.

Mach dich nicht abhängig von der Meinung anderer

Es ist wichtig als Führungskraft, dass du nicht emotional abhängig davon bist, ob andere Menschen – und besonders deine Mitarbeitenden – dich mögen.

In diesem Fall würdest du viel zu viel Verantwortung übernehmen und auch Verantwortung übernehmen, die dir als Führungskraft gar nicht zusteht.

Was meine ich damit?

Ich finde, die Führungssituation ist vergleichbar mit einer ersten Einladung.

Jemand, der schonmal bei mir ein Seminar oder Coaching gemacht hat, kennt dieses Beispiel schon, ich finde es aber sehr treffend:

Stell dir vor, du lädst jemanden zum Essen ein. Natürlich willst du eine gute Gastgeberin oder ein guter Gastgeber sein; also machst du dir Gedanken: Was kann ich etwas Leckeres kochen? Ist mein Besuch Vegetarier? Welchen Wein soll ich auftischen? Welche Musik lege ich auf? Und wie könnte ich meinen Besuch am besten unterhalten? Sich diese Gedanken zu machen, ist dein Job als Gastgeberin oder Gastgeber.

Was ist die Aufgabe als Gast?

Der Gast hat auch eine gewisse Verantwortung darüber, ob es ein netter Abend wird oder nicht. Hat sie oder er schlechte Laune? Hat dein Gast dir vielleicht einen Wein mitgebracht oder ein kleines Geschenk zur Begrüßung? Ist er oder sie unterhaltsam? Essen die mit Messer und Gabel…?

All das hängt davon ab, ob es ein netter Abend wird.

Zum Gelingen der Party tragen immer beide dazu bei.

Führungskräfte setzen Ziele

Genauso ist es auch in der Führungssituation: Deine Aufgabe ist es natürlich, sich über deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gedanken zu machen. Was ist das für jemand von der Persönlichkeit her? Wie spreche ich sie oder ihn am besten an und mache ich das deutlich, was ich möchte? Wie vermittele ich meine Ziele… usw. Aber deine Mitarbeitenden haben auch eine Verantwortung dafür, ob etwas gut wird.

Deine Verantwortung als Führungskraft ist es, Ziele zu setzen und den Rahmen dazu vorzugeben. Das ist dein Job. Eigentlich ganz sachlich, oder?!

Die Aufgabe und Verantwortung deiner Mitarbeitenden ist es, den Weg zum Ziel zu finden und zu sagen: „Okay, wenn du das erreichen willst, dann stelle ich mir vor, wir machen das so oder so und so kommen wir dahin.“

Das machen, aus meiner Sicht, viele Führungskräfte falsch. Häufig werden Ziele und enge Vorgaben gesetzt, aber die Mitarbeitenden werden nicht einmal gefragt, wie sie sich etwas vorstellen.

Wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter nach der Vergabe eines solchen Arbeitsauftrags nun das Büro verlässt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das auch tatsächlich genauso umgesetzt wird, sehr gering.

Deswegen: Führungskräfte setzen Ziele, Mitarbeiter haben die Verantwortung, den Weg zu finden.

Sei nicht zu nett als Führungskraft

Es ist also wichtig, sich deutlich zu machen, was die Verantwortung an dieser Stelle ist. Wenn du immer vorgibst, wie jemand etwas machen soll, und glaubst, da ebenfalls die Verantwortung mitzutragen, dann ist das auf der einen Seite das Thema autoritäre Führung (was nicht unbedingt negativ bewertet werden muss) und auf der anderen Seite fast schon eine Form von Entmündigung.

Denn so holst du deine Leute nicht in die Verantwortung und gewöhnst ihnen auf Dauer sogar an, nicht selbstständig zu denken.

Letztlich förderst du in deinem Team nur Menschen, die auf Knopfdruck funktionieren. Das ist der Nachteil, wenn du immer dastehst und zu fürsorglich oder zu nett als Führungskraft bist.

Mach dir das noch mal deutlich: Auf lange Sicht kann dein Verständnis für alles und jeden eine nachteilige Entwicklung haben und einen Prozess anstoßen, der dir und deinen Mitarbeitenden in der Zukunft zum Verhängnis werden kann.

Persönlichkeitsentwicklung

Das Thema Feedback geben hatte Stephanie in ihrer E-Mail angesprochen. Sie spricht Manches nicht klar an und gibt nicht deutlich Feedback, weil sie denkt, „…die Arme oder der Arme, was denken die denn jetzt…?“.

Erinnere dich: Was ist das Gute, wenn du eine klare Ansage machst und deutlich sagst, was nicht gut gelaufen ist? Auch für die andere Seite. Nur wenn jemand weiß, was nicht gut gelaufen ist, kann sie oder er etwas daran ändern. Und das ist Persönlichkeitsentwicklung.

Unter Umständen entziehst du sogar jemandem systematisch diese Persönlichkeitsentwicklung, wenn du etwas nicht klar und deutlich ansprichst.

Ein Beispiel: Thema Alkohol am Arbeitsplatz.

Natürlich könntest du hingehen und denken, spreche ich das jetzt als Führungskraft an? Lieber nicht, das ist ihr oder ihm bestimmt unangenehm. Tun wir besser so, als wäre alles in Ordnung, sodass das nicht auffällt…

Dann wird das im ganzen Bereich gedeckelt und die betroffene Person merkt das vielleicht nicht mal. Abgesehen davon, dass sich wahrscheinlich sowieso alle Kolleginnen und Kollegen über sie oder ihn unterhalten, wird es sicher schwierig.

Auch hier tust du nichts Gutes, wenn du keine klare Position beziehst. Du entziehst ihr oder ihm zudem systematisch Persönlichkeitsentwicklung. Nur, weil du eine kurzfristige Enttäuschung vermeiden möchtest, sprichst du etwas nicht deutlich an.

Wenn du das Risiko eingehst, ist die Person vielleicht kurzfristig enttäuscht oder findet dich doof als Führungskraft, aber es kann durchaus sein, dass die entsprechende Person über deine Aussage nachdenkt und sich entschließt, etwas zu ändern. Eventuell notwendige Entwicklungsschritte würden ansonsten möglicherweise nie unternommen werden.

Rückblickend ist diese Person dann vielleicht sogar irgendwann sehr dankbar dafür, dass ihre Chefin oder ihr Chef das angesprochen hat und sie sich ändern konnte.

Also: kurzfristig enttäuscht oder sogar verärgert, aber langfristig Chancen auf Veränderung und positive Entwicklung.

Auf der Nase rumtanzen

Meiner Erfahrung nach haben viele die Sorge, wenn sie zu nett als Führungskraft sind, dass ihnen ihre Leute immer auf der Nase herumtanzen werden…

Ich hoffe, ich konnte das in diesem Beitrag bisher klar darstellen: Es ist eine Mischung aus beidem.

Auch wenn du empathisch bist und dir Gedanken machst, wie etwas auf der anderen Seite ankommt, heißt das nicht, dass du alles akzeptieren musst.

Es geht natürlich nicht darum, zuzulassen, dass dir deine Mitarbeitenden auf dem Kopf rumtanzen. Du darfst trotzdem konfrontieren, auch im positiven Sinne. Gerade weil du die andere Seite respektierst, nimmst du ihn oder sie in die Verantwortung und sagst deutlich: „Das ist jetzt deine Aufgabe! Ich finde es gut, dass du immer so detailliert an die Aufgaben dran gehst, die du übernimmst, aber dadurch dauern die eben auch immer sehr viel länger im Vergleich zu anderen. Hier würde ich gerne von dir jetzt mal erfahren und mit dir besprechen, wie du denkst, wie du das in Zukunft anders machen wirst.“

Auf diese Art kannst du deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Verantwortung holen.

Du musst nicht sagen, wie sie etwas machen sollen, sondern frag stattdessen.

Halte Pausen aus!

Du bist nicht zu streng, wenn du direkt bist, sondern du machst etwas Gutes.

Es sind zudem auch alles erwachsene Menschen, die sollen dir sagen, wie sie sich etwas vorstellen.

Und dann bist du auch nicht zu nett als Führungskraft…

Bis zum nächsten Mal!

Dein Stefan

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