Wie gehen Sie eigentlich als Führungskraft damit um, wenn Ihr Gesprächspartner oder Ihre Gesprächspartnerin blockt, unfair oder sauer ist und dadurch irrational reagiert? Heute dreht sich alles darum, wie Sie sich verhalten können, wenn ein Mitarbeitergespräch eskaliert.
Lesedauer: ca. 9 Minuten
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Sven ist Teilnehmer in meinem Kurs „In 9 Wochen komplett entstresst“ in dem die Teilnehmenden die Aufgabe, am Ende jeder Woche ein Wochenfazit zu schreiben. Dort notieren sie, was sie aus der entsprechenden Woche mitgenommen haben, was die Learnings waren, was ihnen fehlte etc. Die Frage von Sven lautete: Wie gehe ich damit um, wenn mein Gesprächspartner blockt, unfair oder sauer ist und dadurch irrational reagiert? Und da möchte ich ihm und Ihnen, wenn dieses Thema für Sie relevant ist, mal drei Dinge an die Hand geben, drei Gedanken, drei Herangehensweisen, wie Sie damit umgehen können.
1. Die Situation sofort deeskalieren
In dem Moment, in dem Sie merken, dass das Gespräch sich zuspitzt, können und sollten Sie deeskalieren. Wenn Sie sich bereits konfrontativ gegenüberstehen und das Gespräch total aufgeheizt ist, ist eigentlich schon alles viel zu spät!
Wir sind zwar sehr zivilisiert, arbeiten in klimatisierten Räumen, tragen schicke Kleidung und lassen uns unser Essen liefern… Aber in solchen Fällen, wenn ein Mitarbeitergespräch eskaliert, fallen wir alle in der Evolutionsstufe zurück ins Primatenstadium. Und jetzt überlegen Sie sich mal, wie Sie es schaffen, einen Konsens mit einem Pavian (oder einer Pavianin) zu finden 🐵
Timing ist alles
Sobald wir also emotional werden, gelingt es uns nur äußerst schwer, Dinge zu klären. Von daher ist Timing ein wichtiges Thema. Wenn wir uns kurz vorm Ins-Bett-gehen streiten, beide müde oder in Eile sind, dann können wir das komplett vergessen.
Besser ist es, einen Termin zu setzen und gezielt über das Thema zu sprechen. Wenn ein Gespräch bereits sehr emotional aufgeladen ist, ist es meist sinnvoller, es an dieser Stelle zu unterbrechen. Jeder geht mal eine Runde um den Block, schnappt frische Luft, atmet tief durch oder macht irgendwas anderes. So haben wir kurz Zeit, uns über das Gesagte Gedanken zu machen: Was hat mich gerade geärgert oder verletzt? Was ist mir gerade eigentlich wichtig gewesen… usw.
Danach, wenn die Gefühle etwas abgekühlt sind, können wir dann erneut ins Gespräch gehen. Wichtig ist dabei, dass Sie vorher gemeinsam einen Termin vereinbaren. Also nicht nur das Gespräch beenden, sodass Sie beide hilflos zurückbleiben, sondern am besten sich darauf einigen, in fünf Minuten oder einer Viertelstunde sich wieder zusammenzusetzen. Das ist in den meisten Situationen möglich.
Verstehen heißt nicht einverstanden sein
Wenn Sie dann wieder zusammenkommen, ist es wichtig, dass Sie Verständnis äußern für die Situation des anderen. Wichtiger Punkt: Verstehen heißt nicht einverstanden sein! Also nur weil Sie sagen, dass Sie verstehen, weshalb der andere wütend ist, heißt das nicht, dass Sie auch damit einverstanden sein müssen!
Es geht darum, die Wut anzuerkennen. Und das ist dann fast so wie eine kalte Dusche.
Die Wut auf der anderen Seite verfliegt etwas, weil sich Ihr Gegenüber verstanden fühlt. Sagen Sie dazu nicht einfach, „Ja, ich verstehe dich“, sondern sagen Sie, WAS Sie verstanden haben: „Ich verstehe, dass du wütend bist, weil ich dich nicht rechtzeitig angerufen habe, als ich noch mit meinen Freunden um die Häuser ziehen wollte…“. Achten Sie dabei darauf, beim Gegenüber zu bleiben! Antworten Sie nicht: „Ich verstehe, dass du wütend bist; mir geht es da genauso und ich und ich und ich…“.
Wünsche einholen
Versuchen Sie im nächsten Schritt die Wünsche Ihres Gesprächspartners bzw. Ihrer Gesprächspartnerin einzuholen. Wenn wir uns verletzt fühlen, liegt das häufig daran, dass wir bestimmte Erwartungen oder Bedürfnisse hatten, auf die unser Gegenüber nicht – oder nicht wie gewünscht – eingegangen ist. Diese unerfüllten Bedürfnisse führen dann dazu, dass wir uns ungerecht behandelt fühlen, uns ärgern oder gereizt reagieren. Wir wünschen uns – ebenso sicher unser Gegenüber – dass auf unsere Bedürfnisse sensibler eingegangen wird.
Es ist also gut, hier aktiv nachzufragen. Sie könnten fragen: „Was brauchst du von mir?“ Oder: „Was soll ich tun, um das Problem zu lösen? Was ist deine Erwartung?“ Auf diese Art werden Sie das Gespräch schon erheblich deeskalieren.
Wenn Sie diese Wünsche in Erfahrung gebracht haben, dann können Sie sie umsetzen, wenn Sie wollen oder können. Sie könnten sich zum Beispiel entschuldigen. Eine Entschuldigung heißt auch nicht zwangsläufig, dass Sie schuld sind. Sie betont eher, dass es Ihnen leidtut, dass die Situation so ist, wie sie derzeit ist, oder dass Sie sich beide streiten. Damit müssen Sie der anderen Seite gar nicht unbedingt Recht geben.
Wenn Ihr Gegenüber etwas von Ihnen erwartet, was aber gar nicht in Ihrer Macht steht, dann dürfen Sie das auch sagen. Also: „Ich verstehe, dass du mit mir gerne um die Häuser ziehen möchtest, heute Abend oder mich öfter sehen möchtest, aber ich habe andere Verpflichtungen für heute und die möchte ich nicht vernachlässigen. Ich würde das gern mal wieder mit dir machen, aber lass uns doch einen anderen Termin finden.“
Wünsche können also erfüllt oder abgelehnt werden; sollten aber in jedem Fall erklärt werden!
Wenn ein Mitarbeitergespräch eskaliert, sollten Sie sich also daran halten: Pausen zu machen, zuzuhören, Verständnis zu äußern und Wünsche einzuholen.
2. Grenzen setzen
Wenn es richtig laut wird und unfair, dann geht es darum, Grenzen zu setzen.
Also sagen Sie, was Sie nicht tolerieren. Schauen Sie Ihrem Gegenüber in die Augen, zeigen Sie Stärke und lassen Sie sich nicht beleidigen. Das ist emotionaler Missbrauch! Sondern sagen Sie: „Das lasse ich mir nicht gefallen! Bitte, nicht in diesem Ton mit mir! Nenn mich nie wieder so!“. Also sich nicht beleidigen zu lassen, heißt in diesem Sinne, beantworten Sie keine Fragen und wiederholen Sie einfach: Ich möchte nicht, dass du so mit mir redest!“
Machen Sie sich klar, dass Beleidigungen Sie abhängig machen von Ihrem Gegenüber. Und geben Sie sich nie selbst die Schuld für eine Beleidigung. Wenn Ihr Gegenüber bspw. sagt, dass Sie fett oder dumm oder hässlich sind oder irgendetwas, lassen Sie sich das nicht gefallen.
Klar sollte auch sein, dass Sie Kraftausdrücke oder Schreien wirklich verbieten – und sich selbstverständlich selber daran halten! Denken Sie noch mal an den Pavian! 🙊🙉🙈
Das sind wirklich emotionale Äußerungen, die Sie dann wieder dazu bringen, sich zu verteidigen und lauter zu werden… Ein richtiger Aufschaukelungsprozess. Machen Sie sich nochmal deutlich, dass das nichts bringt! Das ist ein absolut ineffektiver Weg und eine gemeinsame Problemlösung ist da gar nicht mehr möglich.
3. Mit den eigenen Emotionen richtig umgehen – und vermeiden, dass das Mitarbeitergespräch eskaliert
Ihre Emotionen haben Sie selbst im Griff! Sie können nicht immer die andere Seite beeinflussen. Aber Sie können schauen, wie Sie mit Ihren eigenen Gefühlen umgehen. Wichtig wäre zuallererst: Wie interpretieren Sie das Verhalten Ihres Gegenübers?
Also wenn Ihr Gegenüber jetzt laut oder unfair wird, dann werden Sie vielleicht denken, „… das geht ja gar nicht, ist ja unmöglich!“; damit schaukeln Sie sich hoch.
Finden Sie stattdessen eine andere Interpretation: „Sie oder er hat heute vielleicht einen schlechten Tag…“ Oder: „Er oder sie geht eben mit dieser Sache so um, das hat überhaupt nichts mit mir zu tun!“.
Auf diese Art werden Sie sich nicht so echauffieren und aufregen und werden selbst ein bisschen deeskalierend wirken können.
Nochmal: Das heißt nicht, dass Sie das Verhalten akzeptieren! Es bedeutet nur, dass Sie erstmal zu einer anderen Interpretation kommen und selbst cool bleiben. Um dann wieder positiv auf Ihr Gegenüber reagieren zu können.
Das heißt nicht, dass das Verhalten gut ist. Da werden Sie wieder Grenzen setzen und vielleicht aus dem Weg gehen oder eine Pause machen oder den Abstand finden.
Den inneren Dialog steuern
Wichtig ist hier auch, den eigenen Ballast abzunehmen und den eigenen inneren Dialog noch mehr zu steuern. Sodass Sie sagen: „Okay, ich konnte meinem Gegenüber jetzt nicht helfen, sie oder er ist weiterhin sauer, aber das ist okay!“ Sie dürfen für sich einstehen! Sie dürfen sagen, was sie möchten und was Sie nicht möchten.
Beruhigen Sie sich und achten Sie auf Ihre Worte, und versuchen Sie zu beobachten, wie Sie dazu beitragen, dass vielleicht Ihr Gespräch eskaliert. Sind Sie vielleicht zu verurteilend und sagen ständig: „Immer machst du das! Du bist schuld! Du, du du…
Notieren Sie sich eine Trigger-Liste! Oft kennen wir unser Gegenüber bereits und wissen, was ihn oder sie auf die Palme bringt. Diese Punkte, Worte oder sogar Themen heißt es dann zu vermeiden oder sehr sensibel und achtsam anzugehen, sodass vermieden werden kann, dass das Mitarbeitergespräch eskaliert.
Sagen Sie, wie Sie sich fühlen (Ich-Sätze! Ich fühle mich verletzt, wenn du so gemeine Sachen sagst, deshalb bitte ich dich, damit aufzuhören… usw.).
Diese drei Punkte wären meine Haupt-Tipps für Sie, wie Sie damit umgehen können, wenn Ihr Gegenüber blockt, unfair oder sauer und somit total irrational ist und es eventuell dazu führt, dass ein Mitarbeitergespräch eskaliert.
Wir kommen immer wieder in Situationen, wo wir mit unserem Gegenüber zu tun haben, uns aufschaukeln und emotional in Konflikte verstrickt sind, die lauter werden oder unfair sind.
Ich hoffe, ich konnte die Frage von Sven eingehend beantworten und dass Sie für sich etwas aus diesem Beitrag mitnehmen konnten.
Bis zum nächsten Mal!
Ihr Stefan Brandt